Aktuelles
Auf ein Wort - April 2023

Nasse Moore braucht das Land!
Die Moor-Birke ist zum Baum des Jahres 2023 ausgerufen worden. Damit hat das Kuratorium eine gute Wahl getroffen. Der Baum liebt feuchte Standorte und ist prädestiniert für moorige Böden. Tatsächlich spielt die Neubewertung des Moores bei der Entscheidung eine wichtige Rolle. “Moore”, so Stefan Meier, Präsident der Baum des Jahres Stiftung, “sind für die Bindung von CO2 wichtig und ein Zuhause für seltene Arten”. Und er fügt hinzu: “Die Moor-Birke wird uns 2023 als Symbol für dieses Handlungsfeld begleiten” (agrarheute vom 03.12.2022).
Der von Stefan Meier angedeutete Paradigmenwechsel für den Umgang mit dem Moor ist noch lange nicht in allen Köpfen. Jahrhunderte lang galt das Moor als ein dunkler, unheimlicher, für Menschen gefährlicher Ort und diente als Kulisse für Schauermärchen.
Kein Wunder, dass ein solch bedrohlicher Ort in den letzten 200 Jahren domestiziert wurde, zumal er ein begehrtes Heizmaterial, den Torf, stellte. So führte die “Eroberung der Natur” dazu, dass heute in Deutschland 95% der Moorflächen entwässert sind. Viele Moore sind gar nicht mehr als solche erkennbar, weil sie inzwischen als Weide- und Ackerland dienen, das wiederum von der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU gefördert wird.
Die Kolonisierung der Moore erwies sich jedoch aus ökologischer Sicht als ein Pyrrhussieg. Heute wissen wir, dass Moore nicht nur Habitate für zahlreiche hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten, sondern auch wichtige Kohlenstoffspeicher sind und damit unser Klima nachhaltig schützen. Aber sie können das nur, wenn sie nass sind. Trockengelegte Moore setzen das in den abgestorbenen Pflanzenresten eingelagerte CO2 wieder frei - und schaden dem Klima.
Wie effektiv nasse Moore als Kohlenstoffsenken arbeiten, zeigt ein Vergleich: Der gespeicherte Kohlenstoff auf einem Hektar Moor entspricht den jährlichen Emissionen von 1.400 Autos mit Verbrennermotor. Moore leisten damit deutlich mehr für unser Klima als Wälder - wer hätte das gedacht!
Wir müssen alles daran setzen, intakte Moore zu schützen und trocken gelegte Moore wiederzuvernässen. Der Moorforscher Hans Joosten hat ausgerechnet, dass Deutschland jährlich 50.000 Hektar Moorfläche renaturieren muss, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Nasse Moore müssen übrigens nicht brach liegen, sie können wirtschaftlich genutzt werden. An die Stelle bisheriger Bewirtschaftungsformen kann sog. Paludikultur treten, bei der aus Schilf, Torfmoosen, Rohrkolben, Erlen, Seggen und anderen Gräsern nachwachsende Rohstoffe hergestellt werden, die als Bau-, Dämm- oder Werkstoffe verwendet werden.
Moore sind ein Thema, das sich für den Unterricht geradezu aufdrängt. Die großen globalen Krisen, der Biodiversitätsverlust und der Klimawandel, zeigen sich darin wie in einem Brennglas.
Auf dieser Homepage finden Sie einen Impuls, der Ihnen zahlreiche (kommentierte) Hinweise zu Informationsquellen, Materialien und Unterrichtshilfen zu einem noch imemr unterschätzten Thema gibt. Lassen Sie sich anregen!
Auf ein Wort - März 2023

Der Untergang der São Paulo
Mit ihren kraftstrotzenden 60.000 PS war sie der Inbegriff des technisch Möglichen - und wurde doch zum Symbol menschlicher Hybris. Als die für unsinkbar gehaltene “Titanic” auf ihrer Jungfernfahrt im April 1912 mit einem Eisberg kollidierte, innerhalb weniger Stunden sank und rund 1.500 Menschenleben mit in den Tod riss, war der Fortschrittsglaube einer ganzen Generation erschüttert.
Das Unglück, das sich am 3. Februar diesen Jahres vor der brasilianischen Küste ereignete, ist ganz anderer Art, aber auch hier hat es eine symbolische Bedeutung, die weit über das Ereignis hinausweist. Die brasilianische Marine hat einen 60 Jahre alten ausgemusterten Flugzeugträger 350 km vor der eigenen Küste “kontrolliert versenkt”.
Die "São Paulo" sollte eigentlich in der Türkei abgewrackt werden, aber das Schiff erhielt wegen des an Bord befindlichen Giftmülls keine Einlaufgenehmigung für einen türkischen Hafen. Da die “São Paulo” auch in Brasilien nicht erwünscht war, trieb sie als “Geisterschiff” auf dem Atlantik herum.
Obwohl sich die neue brasilianische Umweltministerin Marina Silva und die Umweltbehörde des Landes gegen eine Versenkung ausgesprochen hatten, wurde die Maßnahme von der Regierung angeordnet, um “logistische, operative, ökologische und wirtschaftliche Verluste” (THB Täglicher Hafenbericht vom 06.02.2023) für den Staat zu vermeiden.
Der Zynismus, mit dem hier das Wort “ökologisch” verwendet wird, ist kaum zu überbieten, wurden doch mit dem Schiff 644 Tonnen giftige Gefahrstoffe wie PCBs und 9,6 Tonnen Asbest versenkt. Die Umweltorganisation Robin Wood bezeichnet das Schiff gar als ein “30.000 Tonnen schweres Giftpaket” (SZ vom 04.02.2023).
NGOs wie Basel Action Network (BAN) und Shipbreaking Platform befürchten nun gravierende Folgen für Ökosysteme, Gesundheit, Fischerei und Schifffahrt.
In einer Zeit, in der die Vermüllung der Ozeane und Meere einer breiteren Öffentlichkeit bewusst wird, ordnet die Regierung eines Landes die Versenkung eines toxisch belasteten Schiffes an und demonstriert der Welt, dass man den Atlantik getrost als Müllkippe nutzen kann.
Ich weiß und bin dankbar dafür, dass viele Umweltschule-Akteure sich mit ihren Projekten dafür einsetzen, dass nachhaltiger Konsum gefördert und Abfall nach Möglichkeit vermieden, wiederverwertet oder recycelt wird. Sorgen Sie weiterhin dafür, dass ein ressourcenschonender Umgang mit Wertstoffen im Sinne einer kreislauforientierten Wirtschaft “Schule macht”.
Auf ein Wort - Februar 2023

Andre Bauma, ein Ranger im Virunga Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo, nimmt Abschied von Ndakasi, einem im Sterben liegenden Berggorilla. Er hat ihn 13 Jahre lang aufgezogen und liebevoll gepflegt, nachdem die Holzkohle-Mafia Ndakasis Mutter und alle Tiere seiner Gruppe bei einem Angriff getötet hatten.
Das Schicksal der Berggorillas ist die Folge von Verteilungskämpfen um knapper werdende Ressourcen, für die immer mehr Regenwald gerodet wird. In der Demokratischen Republik Kongo ist Makala, Holzkohle, die Hauptenergiequelle zum Kochen.
Die Aufnahme des mehrfach ausgezeichneten Fotojournalisten Brent Stirton zeigt aber eigentlich etwas anderes. Für mich ist sie vor allem Ausdruck einer besonderen Nähe von Mensch und Tier. Sie entsteht immer dann, wenn beide Beziehung zueinander aufnehmen. Wir kennen so etwas nur von Haustieren. Ansonsten ist unser Verhältnis zu Haustieren instrumentell. Nutztiere sind für uns keine Subjekte, sondern Mittel zum Zweck. Vielleicht ist die Massentierhaltung ein besonders krasses Beispiel für unsere Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen von Tieren.
Nach dem neuen Eckpunktepapier des Landwirtschaftsministeriums unter der Leitung von Cem Özdemir (Grüne) sollen Puten in die sog. Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufgenommen werden. Dies hätte u.a. zur Folge, dass sich die Besatzdichte, also die Anzahl der Puten auf einem Quadratmeter Stallfläche bei männlichen Tieren von 58 auf 40 kg und bei weiblichen Tieren von 48 auf 35 kg Lebendgewicht verringert. Statt drei würden dann nur noch zwei Truthähne und statt fünf nur noch drei Putenhennen auf einem Quadratmeter gehalten. Auch das wäre noch eng genug.
Bemerkenswert sind nun die Reaktionen auf die eher behutsamen Pläne des Ministeriums. Wolfgang Schleicher, Geschäftsführer des Zentralverbandes der Geflügelwirtschaft, nannte das Vorhaben eine “realitätsverweigernde Traumtänzerei” (Neue Osnabrücker Zeitung vom 28.12.2022) und kündigte rechtliche Schritte an.
Das von Schleicher verwendete Wortungetüm lässt vermuten, dass ihm inhaltliche Argumente fehlen. Wo sollten sie auch herkommen?
Die Diskussion um die Putenhaltung in Deutschland macht deutlich, wie weit wir uns im Zuge einer Strategie der Gewinnmaximierung vom Tierwohl entfernt haben.
Auf ein Wort - November 2022
Mit den Auszeichnungsveranstaltungen in Oldenburg, Hannover, Göttingen und Ehestorf im September und Oktober ist die Projektphase 2019-22 zu Ende gegangen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht nur den Vertreter*innen der 431 Schulen noch einmal herzlich zu ihrem Erfolg gratulieren, sondern auch die Regi-onalkoordinator*innen Simone Hallmann, Dr. Arne Röhrs, Jens Hepper und Sonja Kühn-Benthack sowie Melanie Cronshagen als Landeskoordinatorin beglückwünschen, denn sie haben es geschafft, diese Großveranstaltungen ansprechend auszurichten. Die eingeladenen Schulen haben Anerken-nung, Dank und Wertschätzung erfahren und hatten darüber hinaus die Gelegenheit, sich über ihre Projekte auszutauschen und viele Anregungen mitzunehmen.
Im Freilichtmuseum am Kiekeberg in Ehestorf hatte ich als Vertreter des Fördervereins die Gelegenheit, an einem Podiumsgespräch teilzunehmen. Dabei stellte mir eine Oberstufenschülerin aus Salzhausen die Frage, welches Potenzial meiner Meinung nach die Internationalen Nachhaltigkeits-schulen/Umweltschulen in Europa hätten. Meine Antwort entsprach den Erfahrungen, die ich selbst als betreuende Lehrkraft über viele Jahre an einem Wilhelmshavener Gymnasium gemacht habe: Das Umweltschule-Projekt hat eine große Strahlkraft, denn es bleibt nicht unbemerkt. Nicht nur die Akteure selbst sind beteiligt, sondern viele andere werden neugierig und auf die angesprochenen Umweltthemen aufmerksam – Lehrer*innen, Schüler*innen, Geschwisterkinder, Eltern, Großeltern, Mitarbeitende in der Schulverwaltung und außerschulische Kooperationspartner*innen. Ist der Stein erst einmal ins Wasser geworfen, zieht er immer weitere Kreise.
Wenn ich Resonanz erfahre, kann ich daraus Kraft schöpfen. Zum Glück bin nicht der Einzige, der sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzt und die Ziele der Agenda 2030 im Blick hat. Es sind viele, die sich dafür engagieren – allein in Niedersachsen 431 Schulen. Und weltweit ist es – mit rund 56.000 Eco-Schools in 70 Ländern – eine große Bewegung!
Die Auszeichnungsveranstaltungen machen Mut, denn sie zeigen, dass vor, neben und hinter mir Menschen sind, die sich auf denselben Weg ge-macht haben und mit ihren Projekten ein Zeichen setzen wollen für den Erhalt der Natur, der natürlichen Mitwelt des Menschen.
Auf ein Wort - Mai 2022

Es gibt schöne Zufälle: Neulich schaltete ich das Radio an und hörte einen Beitrag zum Tag des Baumes (25. April). Der Moderator des Deutschlandfunks sprach mit Professor Andreas Roloff, einem namhaften Forstbotaniker, der zurzeit damit beschäftigt ist, auf Initiative der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft e.V. „Nationalerbe-Bäume“ auszusuchen – in jedem Bundesland einen.
Auf die Frage nach seinem Lieblingsbaum tat sich Roloff schwer und wollte sich nicht festlegen. Zu groß sei die Anzahl beeindruckender Charakterbäume, die er im Laufe seiner Forschungen kennengelernt habe. Potenzielle Uralt-Bäume, die höchst individuell und schützenswert seien. Standortprobleme, übertriebene Sicherheitserwartungen, klimatischer Stress und unsachgemäße Behandlung setzten den Baumriesen zu. Das Nationalerbe-Projekt wolle diese Bäume schützen und ihnen ein „Altern in Würde“ ermöglichen.
Roloff berichtete dann aber doch von einem Baum, den er in doppelter Hinsicht bemerkenswert findet: der Richteiche von St. Gangolf im Saarland. Zum einen hätten unlängst aufgetauchte Dokumente gezeigt, dass der Baum nicht – wie bisher angenommen – 350, sondern 650 Jahre alt sei. Er stamme aus dem späten Mittelalter. Zum anderen sei der Baum statisch einzigartig, da sein 20 m langer Stamm bis zur Spitze vollkommen hohl sei. Untersuchungen hätten aber ergeben, dass sein Mantel noch immer vital und absolut stabil sei. Roloff vergleicht es mit einer Papprolle im Küchenpapier, die kaum zu knicken sei.
Er habe den Baum in Ruhe erkundet und sich mit ihm vertraut gemacht. Vor der öffentlichen Ausrufung der Eiche zum „Nationalerbe-Baum“ habe er sich noch einmal eine besondere Freude gemacht: Er habe seine Blockflöte und Drumsticks eingepackt und sei damit durch ein großes Astloch am unteren Stamm in den Baum hineingeklettert. Die Akustik sei fantastisch gewesen.
Ist das nicht schön? Ein Naturwissenschaftler, der seinen Forschungsgegenstand nicht einfach nur ausmisst und analysiert, sondern hineinklettert und Musik in ihm macht. Das sind magische Erfahrungen, wie wir sie sonst nur aus Kindertagen kennen.
Ich selbst bin als Kind gerne auf hohe Bäume geklettert, um mich in ihren Wipfeln im Wind zu wiegen – stundenlang. Meine Eltern haben sich offenbar keine Sorgen gemacht. Sie wussten vermutlich gar nicht, wo ich bin. Aber ich habe es ihnen hinterher erzählt.
Eine unbeschwerte, ja friedliche Kindheitserfahrung. Kindern in der Ukraine (und in vielen anderen Krisengebieten der Welt) ist sie derzeit verwehrt. Hoffen wir, dass der Alptraum bald zu Ende ist. Das Alter der Nationalerbe-Bäume, ihre Unerschütterlichkeit und „Seelenruhe“ im Wechsel der Zeiten mögen uns hier vielleicht ein Trost sein. Sie haben schon viel erlebt, auch viele Kriege, und sind immer noch da. Putin wird nicht das letzte Wort haben.